Stellvertreterkrieg USA gegen Russland und Ukraine
SV | 29. Juli 2022
Nachtrag 15.2.23 / 21.5.23
Die Präsentation des Ukrainekriegs als plötzlichen Überfall Putins wird dem Konflikt zwischen den USA und Russland nicht annähernd gerecht und doch wiederholen Politik und Medien in der EU diesen Halbsatz tagtäglich und massieren die simple Deutung in europäische und deutsche Hirne ein.
Dem Einmarsch der Russen in der Ukraine sind lange vorbereitete Provokationen der USA vorausgegangen, unter anderem die beständige Osterweiterung der NATO. Die Rollen von Aggressor und Verteidiger wurden verkehrt. In Polen und Rumänien wurden „Abwehrsysteme“ installiert, die jederzeit mit Mittelstrecken-Raketen bestückt werden können, die binnen weniger Minuten Moskau erreichen können.
Die zahlreichen Vertragsangebote der Russen, um Sicherheitsgarantien von den USA zu erhalten, wie zuletzt am 17.12.2021 sowie einem Schreiben im Januar 2022 an 37 Staaten (die USA, Kanada und europäische Staaten) mit der Anfrage, wie sie das Prinzip der Unteilbarkeit der Sicherheit interpretieren, wurden mit weiteren Provokationen, mit NATO-Übungen an den Grenzen Russlands beantwortet: Die schon 2021 geplanten NATO-Manöver Europe Defender 2022, Neptuns Strike 22, Allied Spirit, Saber Strike, Cold Response 22, Baltops 22 etc. wurden durchgezogen oder blieben im Plan. Gleichzeitig wurden die US-gelenkten ukrainischen Angriffe auf die russisch-ukrainische Bevölkerung im Donbas seit Februar intensiviert, so dass sie Russland, nach 8 Jahren Krieg, um Beistand baten. Der Druck auf die Russen war also trotz Verhandlungsbitten verstärkt worden.
Ins Schach gestellt wurden die Russen aber mit der Rede Selenskijs bei der Münchner Sicherheitskonferenz am 19.2.22 mit der Drohung zum NATO-Beitritt der Ukraine und der Bewaffnung mit Atomwaffen und der wohlwollenden Kommentierung durch die NATO. Die „Spezialoperation“ der Russen startete 4 Tage später.
Moskau: Putin und Lawrow nach Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates am 21.02.22
Wie hat sich die USA das Szenario vorgestellt? Russland kapituliert und übergibt die russischen Ressourcen an das globale Kapital und die USA feiern sich als neue Supermacht?
Viele der älteren Russen erinnern noch lebhaft die Präsidentschaft Jelzins von 1991-1999 (der den USA Vertrauensvorschuss gab), kennen noch Hunger, Entrechtung, Rechtlosigkeit und Kriminalität, die Plünderungen Russlands durch Oligarchen und ausländisches Kapital. Die Kapitulation der Russen war also keine akzeptable Alternative zum Defensivschlag im Februar 2022.
Wie konnte es soweit kommen?
Die USA, die sich als Hegemon des Dollars und der NATO bedient, muss ständig um ihre Macht fürchten. Ihrer aufgepumpten leeren Volkswirtschaft droht eine Ablöse durch eine russisch-europäische Wirtschaftsvereinigung; aus Exzeptionismus der USA würde Isolation. Dagegen gibt es seit jeher Konzepte, von Halford Mackinder 1904, bis heute: Zbigniew Brzezinski, Kissinger, Thomas Barnett, George Friedmann, viele sahen die Gefahr der eurasischen Wirtschaftsmacht für die USA. Aber wenn man einen Dominostein herauslösen könnte, bräche das ganze eurasische Gebilde zusammen, so die rettende Strategie.
„Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett, ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Umwandlung Russlands beiträgt. Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr.“
Zbigniew Brzezinski,
Sicherheitsberater von Jimmy Carter und Politikberater einiger US Präsidenten
Erweitert wird das Grauen noch durch die Neue Seidenstraße der Chinesen, nur – die Netzwerke sind längst geknüpft, die Infrastruktur steht, die Gefahr nimmt Gestalt an, die Zeit für die Supermacht USA läuft ab.
Der Startschuss
2001 mussten wir den Atem anhalten als Putin im Bundestag auf deutsch den Wirtschaftsraum von Wladiwostok bis Lissabon skizzierte, eine Herausforderung des jungen Politikers an die USA.
Seither ist Putin das ausgemachte Böse. Die Rückführung der Schlüsselindustrien in Staatshand, der Befreiungsschlag vom schweren Erbe der Plünderung Russlands durch die US Konzerne wurde als Affront gesehen, waren doch für die von den USA gedeckten globalen Konzerne die sicher geglaubten Pfründe im Osten verloren.
Das transatlantische Netzwerk in Politik und Medien in Europa machte es möglich, dass die europäischen Nutznießer der russischen Emanzipation, sich gegen ihren Partner wendete, aber trotz der Anfeindungen hielt Putin an guten Beziehungen fest. Das konnte seinem feinen Charakter oder purem Kalkül geschuldet sein, denn 40 % des GDP wurde bisher mit Exporten nach Europa erzielt. Umso unversöhnlicher wurde das US-Verhältnis zur EU als Vasallen der USA.
Die Störfeuer seitens USA nahmen allerdings schon ab 1999 auf wirtschaftlicher und diplomatischer Ebene zu. Die militärische Drohkulisse nahm mit der NATO-Osterweiterung Kontur an. Begründet wurde die stets mit einer angeblichen Bedrohung durch die Russen, tatsächlich aber begann die NATO-Osterweiterung, als der US-Fuß in der Tür Russlands, Boris Jelzin, von Putin abgelöst wurde und die Russen wieder selbst über die eigenen Ressourcen verfügten.
Die NATO ist keine Bedrohung. Punkt.
Wenn Russland nicht mit dem groben Besteck der Handelsübernahme zerteilt werden kann, dann gebraucht die USA eben Gewalt. Los ging‘s 1999 mit der NATO-EInverleibung der ersten Kandidaten im Sicherheitsbereich der Russen, Polen, Tschechien, Ungarn, es folgten 2004 Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei und Slowenien bis 2020 Nordmacedonien. Nach dem Maidan-Putsch 2014 und dem Regimechange in der Ukraine ging die USA einen Schritt weiter. Mit der Besetzung der Krim und dem Angebot an die Krimbewohner zum völkerrechtskonformen Anschluss an Russland, kam Putin der übermütigen US-NATO bei der Einnahme des Militärstützpunkts Sewastopol wahrscheinlich zuvor. Doch die Bedrohung geht weiter mit der Unterhaltung von Biowaffen-Laboren in der Ukraine, der Präsenz von NATO-Soldaten, Waffenlieferungen und Trainings an den Waffensystemen.
John Kirby, Pentagon Pressesprecher, bestätigt 8 Jahre direkter Beteiligung der NATO in der Ukraine.
Wie sie es in Georgien in den 2000ern taten.
Merkel haut mit ihrem Geständnis der taktischen Kriegsvorbereitung durch die Minsk Abkommen in die gleiche Kerbe:
Merkel: … Und das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. …
… Sie hat diese Zeit hat auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht. Die Ukraine von 2014/15 ist nicht die Ukraine von heute. Wie man am Kampf um Debalzewe (Eisenbahnerstadt im Donbass, Oblast Donezk, d. Red.) Anfang 2015 gesehen hat, hätte Putin sie damals leicht überrennen können. Und ich bezweifle sehr, dass die Nato-Staaten damals so viel hätten tun können wie heute, um der Ukraine zu helfen.
ZEIT: Beim ersten öffentlichen Auftritt nach dem Ende Ihrer Kanzlerschaft haben Sie erklärt, Sie hätten schon 2007 erkannt, wie Putin über Europa denkt, und dass die einzige Sprache, die er versteht, Härte sei. Wenn diese Erkenntnis so früh da war, warum haben Sie eine Energiepolitik betrieben, die uns von Russland so abhängig gemacht hat?
Merkel: Es war uns allen klar, dass das ein eingefrorener Konflikt war, dass das Problem nicht gelöst war, aber genau das hat der Ukraine wertvolle Zeit gegeben. …
ZEIT am 7.12.2022 https://www.zeit.de/2022/51/angela-merkel-russland-fluechtlingskrise-bundeskanzler
Der französische Ex-Präsident Hollande schließt sich diesem Geständnis der Minsk-Lüge an sowie Petro Poroschenko und schließlich kann auch NATO Generalsekretär Jens Stoltenberg nicht mehr an sich halten:
Die folgenden eskalierenden US-Sanktionsrunden treffen Russland zwar hart, aber die Avancen von Russland für die eurasische Handelszone gegen unvermindert weiter, zuletzt noch im April 2022. Offiziell wird das kaum kommuniziert, aber die Wirtschaft hat sich bereits damit angefreundet und ab 2016 wurden die Chancen für die Wirtschaft im Vergleich zu den Handelsabkommen TTIPP im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung durchgerechnet. Und, was soll man sagen, es sieht gut aus für die Europäer. Sigmar Gabriel warb seinerzeit für dieses Freihandelsabkommen und wir verstehen heute, wieso das Atlantic Council Policy on Intellectual Independence (sic!) ihn dafür in seiner Broschüre zu den Kremlins Trojan Horses zählte, in der „third edition“ dieser „Expertise“ konnte er durch Schlucken des Köders Atlantik-Brücke die Löschung als Pferd erwirken. Wir sehen auf welchem Niveau die USA die Medien des Wirtschaftsrivalen aufstellt.
Das Projekt eurasische Wirtschaftszone nahm anscheinend Fahrt auf und so kommt es, dass sich Deutschland, aber auch die EU auf der internen US-Sanktionsliste wiederfindet. Verfehlen kann dieser Rundumschlag sein Ziel kaum: Schwächung des euro-asiatischen Wirtschaftsraums. Entweder hungert man Russland aus, mit der Träumerei eines Regimechanges in Russland oder man zerstört die EU Volkswirtschaften mit allen Mitteln; Pardon wird nicht gegeben. Letzte Attacke der US-Feldherren gilt der Energieversorgung der EU-“Partner“.
„Die Deutschen […] haben gestern gehandelt, um sicherzustellen, daß die NordStream2-Pipeline […] ausgesetzt wird
Wir haben nun ergänzende Maßnahmen ergriffen und unsere eigenen Behörden eingeschaltet, um sicherzustellen, daß NordStream2 vom Tisch ist!“
Ned Price, Sprecher des Außenamts:
Bärbock (in Kiew) verkündet schlicht:
„Wir reduzieren die Abhängigkeit von russischer Energie auf Null! Und zwar für immer!“
Tagesschau 10.5.2022
Tagesschau online 26.7.22
EU-Einigung auf Gas-Sparplan – Eine erstaunliche Leistung
Diese eskalierende Sanktionspolitik macht für die Russen als auch für EU-Investoren langfristige Planungen unmöglich, die Investitionsbereitschaft sinkt, was normalerweise den Unmut der Wirtschaft wie auch der Bevölkerung nach sich ziehen würde. Dem haben die USA vorgebeugt, indem sie die Medien in Stellung gebracht haben: Seit dem Zweiten Weltkrieg bestimmen die USA die Medienlandschaft in den europäischen Ländern, siehe Swiss Policy Research, https://swprs.org/das-american-empire-und-seine-medien/
Die ideologische Zurichtung der europäischen Bürger als Kombattanten in der Auseinandersetzung US-NATO ./. Russland wird medial organisiert, man holt raus was geht, eine Balance zwischen offenem antislawischem Rassenhass, gesellschaftlicher Ausgrenzung und Verächtlichmachung des als „Feind“ markierten Handelspartners.
Keine Talkshow ist aggressiv, keine Schlagzeile verleumderisch, keine Nachrichtensendung gefühlig genug. Gemäß der Erkenntnis von Julian Assange
“The populations don’t like wars. They have to be fooled into wars … Nearly every war that has started in the past 50 years has been a result of media lies”
Julian Assange
Die Bevölkerungen mögen keine Kriege. Sie müssen zu Kriegen verleitet werden … Fast jeder Krieg, der in den letzten 50 Jahren begonnen hat, war das Ergebnis von Medienlügen
Eine gespaltene Gesellschaft kann keine Friedenspolitik einfordern
Das Konzept: die Spaltung der Gesellschaft durch Auslassungen und einseitige Schuldzuweisung an „die Russen“ bzw. Putin. Die simple Erzählung stellt sicher, dass die Hälfte der Bevölkerung durch die Schlichtheit der Argumente brüskiert, die andere Hälfte überzeugt, und so die gespaltene Gesellschaft mit sich selbst beschäftigt ist; einer Dolchstoß-Attacke durch Pazifisten ist diesmal vorgebeugt.
Soweit ist die Heimatfront im festen Griff der US-NATO-Handlanger. An der Ostfront ist daher für deutsche Politik durch das Erbe aus dem 2. Weltkrieg nicht Frieden die erste Pflicht, sondern Krieg die moralische Kür. Nach 27 Mio. getöteter Russen, wobei 6 Mio. Sowjet-Ukrainer mitgezählt werden, ist die skrupellose Geschichtsvergessenheit der Deutschen atemberaubend, denn die angeblich vorbildliche Vergangenheitsbewältigung ist belegbar ohne jede Substanz. Dabei soll es nicht nur wieder Russen und Ukrainer erwischen, sondern im Jubel des Größenwahns sogar zum Welt-Staatsanwalt reichen, im Auftrag des US Scharfgerichts über die Völker. Siehe Strafanzeige von Gerhart Baum und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gegen Putin wegen „Verletzung des Völkerstrafrechts“ oder „Auftakt am OLG im Syrien-Folterprozess: Ein Weltstrafverfahren in Koblenz“ (LTO.de).
Dass sich Volk und Volksvorsteher im Unrecht wieder einig sind und jeglicher Widerstand im Keim erstickt, jeder Aufständische gesellschaftlich ausgegrenzt wird, ist nur durch eine geschlossene Propagandafront möglich, die mit moralischer Überlegenheit den Herrenmenschen formt. Die Geschichte wiederholt sich und wird wieder einmal über uns richten, denn gerade die Deutschen werden wieder in Position gebracht. „Deutschland muss führen!“
Fazit: Am Ukraine-Konflikt USA ./. Russland offenbart sich das Erpressungs- und Gewaltregime hinter dem Machtanspruch der USA. Das was die Erdöl fördernden Länder an US-Kriegen seit Jahrzehnten ohne die geringste Empathie oder Solidarität des Wertewestens ertragen haben, weil der Medienapparat das Leid verbrämt, kommt nun ungeschützt zutage. Denn das wankende Imperium reisst seine Pfeiler ein.
Mit der Kündigung des internationalen Zahlungs- und -US-Spionage-Tools SWIFT und dem Diebstahl von 300 Mrd. $ Gold- und Währungsreserven Russlands sind die USA als Handelspartner erledigt. Aus der Verheißung eines EU-Beitritts, was noch das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine versprach, ist nun die Zwangsgemeinschaft zu einem abgewirtschafteten, moralisch verkommenen Wirtschaftssystem ohne Zukunft in Aussicht gestellt.
Die Ukraine wird rücksichtslos geplündert, der IMF hatte sich schon vor Jahren mit der immer gleichen Masche den politischen Imperativ eingekauft und Besitz angemeldet, der nun abgegriffen wird. Das Verbot von Verhandlungen über die Neutralität der Ukraine und über einen Rückzug der NATO, wird mit „David gegen Goliath im Kampf um die Freiheit“-Kriegskitsch umgedeutet, kann aber die Ukrainer nicht über die Familienväter, die von einem US-hörigen Oligarchen in den Tod geschickt wurden, hinwegtrösten.
Es ist Zeit, für den Frieden auf Verhandlungen zu drängen. Für die Europäer wäre es wünschenswert, den autoritären EU-Überbau abzuschütteln und ein friedliches Europa der selbstbestimmten Nationen selbst zu gestalten, gemeinsam mit Russland und China.
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